Die aufgekommenen Fälle zur Verstrickung und finanziellen Beteiligung, von vor allem Abgeordneten der Unionsfraktion, in der Beschaffung von medizinischer Schutzausrüstung (z. B. FFP2-Masken etc.) und medizinischer Technik (Testgeräte, Testsets, etc.) führen zu einer regen Diskussion über die Zulässigkeit von Nebentätigkeiten und Unternehmensbeteiligungen im Rahmen der Abgeordnetentätigkeit im Bundestag oder in Landtagen.
Besonders in den Fokus geraten, und von den aufgedeckten Fällen auch schwerpunktmäßig betroffen, sind Rechtsanwälte als Parlamentsabgeordnete, welche weiterhin als Rechtsanwälte "nebenberuflich" tätig sind und Mandanten aus einschlägigen Branchen beraten und vertreten.
Ein Bericht der Süddeutschen Zeitung zum Fall Alfred Sauter als Abgeordneter der CSU im Bayerischen Landtag und als früheren bayerischen Justizminister verdeutlicht die Problematik im Detail sehr gut:
Klaus Ott: Geschäfte in der Pandemie: Sauters lukrative Doppelrolle, verfügbar seit 3. April 2021, 5:15 Uhr
Die Grenzen zwischen Tätigkeit als Abgeordneter und Tätigkeit als Rechtsanwalt verschwimmen dabei fast vollständig. Ob es dabei entscheidend darauf ankommen kann, ob eine E-Mail Sauters in der Angelegenheit in der Fußzeile die Kontaktdaten des Abgeordnetenbüros oder der eigenen Rechtsanwaltskanzlei, in welcher der Rechtsanwalt tätig ist, führt, ist mehr als fraglich.
Kritisch zu sehen ist sicher eine Vermischung von beruflicher Tätgkeit als Rechtsanwalt und Abgeordnetentätigkeit. Allerdings muss man auch ganz offen feststellen, dass die Tätigkeit als Abgeordneter häufig dazu benutzt wird, um die "nebenberufliche" Tätigkeit als Rechtsanwalt zu bewerben und effektiv zu promoten. Diese Art der Werbung und Promotion ist offenkundig sehr ergiebig, wie eine Analyse der schon bisher verfügbaren Einkommenslisten der vergangenen Jahre der Abgeordneten zeigt.
Selbstverständlich wissen Mandanten, dass sie sich bei Rechtsanwälten als Abgeordneten in Parlamenten neben den rein juristischen Fachkenntnissen auch ein vorhandenes Kontaktnetzwerk und politische Fürsprache - quasi nebenbei - (mit-)einkaufen. Ganz offensichtlich lassen sich diese Mandanten dies auch "etwas mehr kosten", als die übliche Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), wie man aktuell aus der Presse erfahren kann.
Bei der Forderung nach vollständiger Transparenz und Offenlegung gerät dabei auch der Mandantenschutz und die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten zunehmend in den Blickpunkt. Eine gute Übersicht hierzu und zum aktuellen Diskussionsstand und Meinungen bietet der Beitrag von Hasso Suliak Ein bisschen weniger Schweigepflicht? in LTO vom 26. März 2021.
Wer sich dem Thema gerne grundsätzlicher und aus Sicht der Soziologie und Politikwissenschaft annähern möchte, dem sei hier der Vortrags-Klassiker von Max Weber Politik als Beruf vom 28. Januar 1919 empfohlen.